Digitale Editionen

Quellen multimodal erschließen und publizieren

Gemeinsam neue Möglichkeiten entwickeln

Ohne verlässliche wissenschaftliche Editionen ist die Arbeit in den Geisteswissenschaften nicht denkbar, und so gehören sie von Beginn an zum Grundbestand der philologischen Disziplinen, aber auch der historischen Wissenschaften. Dabei haben sich die Editionsprinzipien im Laufe der Zeit stark gewandelt. Durch den Wechsel ins digitale Medium wurden und werden die Möglichkeiten der Erschließung von Quellen noch einmal ganz neu ausgelotet und vielfach erweitert.

Das Team des TCDH kann inzwischen auf eine langjährige Erfahrung im Bereich der digitalen Editionen zurückblicken. Es konzipiert und entwickelt gemeinsam mit Kooperationspartnern aus dem In- und Ausland digitale Ausgaben ganz unterschiedlichen Zuschnitts und Formats, jeweils angepasst an die Anforderungen, die ein Quellenkorpus und dessen Erschließungsmöglichkeiten, aber auch spezifische Forschungsfragen an eine Edition stellen. So kann bei Werkausgaben die dynamische Darstellung textgenetischer Prozesse im Fokus stehen, aber auch der synoptische Vergleich verschiedener Druckfassungen. Briefeditionen können umfangreiche Korrespondenzkorpora erschließen und Netzwerke sichtbar machen, sie können aber auch die Entwicklung von Themen oder die Bewegungsprofile der Korrespondent:innen visualisieren. Die Nutzer:innen haben durch vielfältige Anzeige- und Sucheinstellungen die Möglichkeit, einen ganz individuellen, je nach Erkenntnisinteresse geleiteten Zugang zu einer Edition zu wählen.

Am TCDH entstehen sowohl „born digital“-Publikationen, die genuin für eine Veröffentlichung im Internet konzipiert sind, als auch hybride Formate, bei denen eine digitale Publikation und eine Buchveröffentlichung am Ende stehen, oder retrodigitalisierte Editionen, die bereits gedruckte Ausgaben für eine Publikation im Internet aufbereiten. Alle Editionen werden nach internationalen Standards erarbeitet und sind im Open Access im Sinne der FAIR-Prinzipien zugänglich. Dabei ist die Art der zu erschließenden Quellen vielfältig: Von fiktionalen Texten über Briefe und weitere Egodokumente wie Tagebücher sowie Essays und Zeitschriften bis hin zu historischen Quellen oder auch nicht-textuellen Materialien kann alles Gegenstand einer digitalen Edition sein. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern entwickelt das interdisziplinäre Team des TCDH Workflows, die genau an die jeweiligen Projekterfordernisse angepasst sind und bei denen die am TCDH entwickelten Werkzeuge und Softwaresysteme zum Einsatz kommen. Zudem konzipiert das Team das Design und Usability-Konzept für die Publikation im Internet und bereitet die Langzeitarchivierung der Daten vor.

Im binationalen Forschungsprojekt „Arthur Schnitzler digital“ etwa steht die Aufarbeitung und Darstellung der Textgenese im Fokus der historisch-kritischen Edition. Dabei geht es darum, die für Schnitzlers Arbeitsweise so typischen, zum Teil über mehrere Jahrzehnte verlaufenden Schreibprozesse mit ihren vielfachen komplexen Stoffverzweigungen über Text- und Gattungsgrenzen hinweg in ihrem Systemcharakter und in ihrer Interdependenz mittels hypertextueller Strukturen und nicht-sequentieller Ordnungsmuster in adäquater Weise zu repräsentieren.

Die als Pilotprojet angelegte digitale historisch-kritische Edition von Stefan Heyms Roman „Ahasver“, die in Kooperation mit der TU Chemnitz entsteht, stellt erstmals die bisher einzig in Cambridge zugänglichen Materialien (Exzerpte, Pläne, Entwürfe, hand- und maschinengeschriebene Vor- und Endstufen) vollständig im Open Access bereit. Zudem macht sie alle Transformationsprozesse innerhalb des Werkes und damit auch die spezifische Arbeitsweise Heyms en détail sichtbar.

Die historisch-kritische Edition ausgewählter Briefwechsel Johann Caspar Lavaters, die das TCDH derzeit in Kooperation mit der der Universität und Zentralbibliothek Zürich sowie der Universität Basel erarbeitet, soll die komplexe Struktur eines internationalen europäischen Korrespondentennetzwerkes visualisieren und zugleich die Voraussetzungen schaffen für weiterführende Untersuchungen der Wissens- und Gelehrtennetzwerke in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Die Digitale Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels führt erstmals die weltweit verstreuten, ca. 5.500 Briefe des Romantikers, deren überwiegender Teil zu Beginn des Projekts noch nicht publiziert war, zusammen und berücksichtigt dabei auch die bereits gedruckten Briefe, die mit den Faksimiles der Handschriften verglichen werden können. Alle noch nicht gedruckten Briefe werden neu transkribiert.

Die Edition der Briefe und Akten zur Kirchenpolitik Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen 1513 bis 1532 ist hybrid angelegt: Die mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig erarbeitete Ausgabe macht die kirchenpolitischen Akten der beiden herausragenden Reformationsfürsten erstmals in einer gedruckten und einer elektronischen Fassung für die kirchen- und allgemeinhistorische Forschung zugänglich.