Über 600 dislozierte Briefe von Henrik Steffens werden digital vernetzt

Zusammen mit der Humboldt-Universität zu Berlin startet das TCDH das Projekt einer digitalen Sammlung zum Nachlass des Naturphilosophen Henrik Steffens (1773 – 1845)

04.02.2022 | Pressemitteilungen, Projektnews

Mit dem Start einer weiteren digitalen Briefedition beginnt das Jahr 2022 für das Trier Center for Digital Humanities (TCDH) äußerst erfolgreich. Dr. Marit Bergner vom Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und Dr. Thomas Burch (TCDH) werden im Verbund-Projekt „Die Korrespondenz des Naturphilosophen Henrik Steffens (1773–1845). Eine wissenschaftliche Erschließung und virtuelle Zusammenführung“ in den kommenden drei Jahren – gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft – den dislozierten Briefbestand sämtlicher etwa 600 auffindbarer Briefe und anderer Ego-Dokumente von Steffens in einer digitalen Sammlung zusammenführen.
Zeitstrahl Henrich Steffens

Hintergrundbild by Joachim Schnürle on Unsplash, im Vordergrund Brief von „Henrik Steffens an Unbekannt, 14. Januar 1836“
Privatbesitz: Loose Blätter Sammlung sowie
Henrich Steffens. Lithografie von Friedrich Jentzen nach einer Zeichnung von Franz Krüger.

„Ganz Kopenhagen war also auf den Beinen, um diesen jungen Wilden zu hören.“¹

Die entstehende digitale Edition wird die Korrespondenz dieses heute nahezu vergessenen Naturphilosophen umfassen. Als preußischer Gelehrter und Universitätsprofessor in Halle, Breslau und Berlin gehört der in Norwegen geborene und in Dänemark ausgebildete Steffens zu den zentralen Persönlichkeiten der deutschen und europäischen Geistes- und Universitätsgeschichte sowie zu den bedeutendsten Vertretern der skandinavisch-deutschen Kulturbeziehungen des 18. Jahrhunderts.

1797 kam Steffens nach Jena und wurde Teil des Jenaer Romantikerkreises. Hier lernte er Friedrich Wilhelm Joseph Schelling kennen und schätzen, mit dem er später die spekulative Richtung der Naturphilosophie prägte. Gemeinsam wurden sie maßgebliche Vertreter des Prinzips der Einheit von Natur und Geist. Er traf die Brüder Schlegel und schloss Bekanntschaft mit Ludwig Tieck und Novalis (eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg), später auch mit Friedrich Schleiermacher und dem Komponisten Johann Friedrich Reichardt. In Freiberg studierte Steffens von 1799 bis 1801 bei dem bekannten Geologen Abraham Gottlob Werner. Unzufrieden in der preußischen Provinz, wurde er durch die Gunst des preußischen Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV., 1832 zum Professor an der Universität Berlin bestellt.

Sein umfangreiches wissenschaftliches Werk ist über die Philosophie hinaus auch für die Geschichtswissenschaften, Theologie und Literaturwissen-schaften bedeutsam; seine Schrift „Über die Idee der Universitäten“ (1809) zählt neben den Schriften Johann Gottlieb Fichtes, Friedrich Schleiermachers und Wilhelm von Humboldts zu den wichtigsten Abhandlungen über die moderne Universität.

Briefe und Ego-Dokumente aus über 40 europäischen Archiven sammeln und vernetzen

Mit diesem neuen Projekt wurden dem TCDH wichtige Mittel bewilligt, um die wissenschaftliche Expertise im Bereich der Digitalen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften am Standort Trier weiter auszubauen. Es versteht sich zudem als Pilotprojekt zu einem größeren Folgevorhaben und setzt daher den Fokus zunächst auf die Inventarisierung und digitale Vernetzung der sich im Besitz von mehr als 40 europäischen Archiven und Bibliotheken befindlichen Briefe und Ego-Dokumente. Es schafft somit auch die Grundlage für weitere interdisziplinäre Forschung, indem vor allem eine effiziente, thematisch orientierte Quellenrecherche ermöglicht wird, die auch ohne weitreichende Kenntnisse von Henrik Steffens‘ Leben und Wirken auf der Weboberfläche durchgeführt werden kann. Die entstehenden Forschungsdaten werden im Sinne von Open Science mit zentralen Datenbanksystemen wie der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek verknüpft und fließen in den an der Berlin-Brandenburgischen Akademie entwickelten projektübergreifenden Katalog für digitalisierte Korrespondenzen (correspSearch) ein.
Die digitale Sammlung zum Nachlass Steffens‘ soll mit Blick auf die in den vergangenen Jahren am TCDH entstandenen Plattformen seiner Zeitgenossen einen weiteren Baustein zur Visualisierung des weitgespannten Briefnetzwerks jener Zeit bilden. Das TCDH baut hierbei seine große Erfahrung aus vorangegangenen (Brief-)Editionen zu Vertretern der Epoche wie der Digitalen Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels, der Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe, der Digitalisierung und elektronischen Edition der Korrespondenz Abraham Gottlob Werners sowie der Johann Caspar Lavater Briefedition aus.

Für das Forschungsdatenmanagement zur digitalen Sammlung wird auch hier das an der Universität Trier entwickelte und in zahlreichen vergleichbaren Projekten bewährte Werkzeug „FuD“ eingesetzt. Um die Daten langfristig nachnutzen zu können, werden diese nach internationalen Standards (TEI/XML, METS/MODS) kodiert. Die wissenschaftliche Erschließung der Korrespondenz von Henrik Steffens bildet für die philosophische, sozialhistorische und literaturwissenschaftliche Forschung eine neue Quellengrundlage, indem sein Nachlass erstmals zusammengeführt und im Open Access zur Verfügung stehen wird.

¹Henrich Steffens. Einleitung in philosophische Vorlesungen. Übersetzt und mit einer Vorbemerkung versehen von Heiko Uecker. 2012: XI.


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