Vortrag von Jenny Bryś, Claudia Häfner, Christian Thomas (Weimar) im Rahmen des Forschungskolloquiums „Digitale Perspektiven“, SoSe 2022
„Die Zeit verschiebt nicht nur die Zwecke, Auch andre Mittel fordert sie.“ Die digitale Edition der „Briefe an Goethe“ innerhalb der PROPYLÄEN. Goethes Biographica
Datum:
23.06.2022Ort:
Donnerstags, 18-20 Uhr c.t., digital via Zoom
Kategorie(n):
VeranstaltungKontakt:
Dr. Claudia BambergWeitere Infos:
you tube Video-MitschnittZiel des Akademienvorhabens PROPYLÄEN ist, dass Nutzer:innen zukünftig Antworten auf diese und viele weitere Fragen auf einer Plattform – PROPYLÄEN: Goethes Biographica [1] – finden. Die Hybridedition vereint Texte und Forschungsdaten aus vier traditionsreichen Ausgaben, den Begegnungen und Gesprächen, den Tagebüchern, Briefen von sowie Briefen an Goethe. Letztere bilden den inhaltlichen Schwerpunkt des Vortrags.
Seit 1980 erscheinen die Briefe an Goethe in Form von Regesten im Druck.[2] Die ab 1995 veröffentlichten Bände wurden mittels TUSTEP in einer strukturierten Textdatenbank erfasst und in den Satz gebracht.[3] So stehen alle bislang erschienen Bände der Regestausgabe (RA) bereits seit 2003 online zur Verfügung.[4] Sie funktioniert demnach hybrid und folgt dem Prinzip single source.
Die PROPYLÄEN ermöglichen es nun, diese strukturierte Textdatenbank gemäß TEI P5 zu modellieren. Darüber hinaus werden den Nutzer:innen neben den Briefregesten erstmals die vollständigen Transkriptionen der Briefe zur Verfügung gestellt, für die entsprechend ihrer Besonderheiten ein praxistaugliches Datenmodell entwickelt wird.[5] Hierbei wird auf die Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) zurückgegriffen, den internationalen de facto-Standard für digitale Editionen.[6] Insbesondere die Spezifikationen der TEI-Richtlinien im Deutschen Textarchiv-Basisformat für Manuskripte (DTABf-M) dienen zur weiteren Orientierung,[7] ebenso die ausgereiften TEI-Modelle der Weber-Gesamtausgabe, der edition humboldt digital und weiterer etablierter Editionsvorhaben.[8] Im Bereich der korrespondenzspezifischen Metadaten liegt mit dem Correspondence Metadata Interchange Format (CMIF)[9] ein mittlerweile weit verbreitetes Datenmodell vor, das ebenfalls Eingang in das TEI-Format der PROPYLÄEN erhält.
Eine Besonderheit des Datenmodells liegt darin, dass die TEI-Header für die bislang mehr als 14.000 regestierten Briefe (RA Bde. 1–9, erschienen 1980 bis 2018) retrodigitalisiert sind und die Aufnahme der entsprechenden Metadaten den strengen RA-Grundsätzen[10] folgt. Der jeweilige TEI-Body für die Transkriptionen ist hingegen born digital und die Modellierung muss flexibel bleiben, weil bislang noch nicht alle Phänomene der Briefe und deren Häufigkeit bekannt sind. Die Herausforderung liegt hier in der großen Heterogenität der Handschriften von über 3.500 Briefschreibern.
Doch welche philologischen Phänomene werden in den Briefen an Goethe prinzipiell berücksichtigt? Wie ist ihre Auswahl zu begründen? Und wie werden sie konkret kodiert? – Welche Aspekte der Forschungsdaten interessieren uns aktuell? Und wie lässt sich die digitale Zukunft mitdenken? Sind die heute erzeugten Forschungsdaten nachnutzbar, interoperabel und erweiterungsfähig?
[1] Das Projekt befindet sich seit 2015 im Akademienprogramm vgl. www.saw-leipzig.de/propylaeen (alle URLs in diesem Abstract abgerufen am 14.06.2022) und wird in enger Kooperation zwischen der Klassik Stiftung Weimar, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Digitale Akademie) sowie dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main realisiert.
[2] Überblick zur Genese zuletzt bei Christian Hain: Briefe an Goethe und ihre Erschließung. Eine Gesamtausgabe in Regestform, in: Goethe-Jahrbuch 136 (2019), S. 215–236.
[3] Zum Prozess der Retrodigitalisierung siehe Manfred Koltes: Die Regestausgabe der Briefe an Goethe, in: Roland Kamzelak (Hg.): Computergestützte Text-Edition, Tübingen 1999, S. 101–115; ders.: Probleme der Retro-Konversion. Die Regestausgabe der Briefe an Goethe, in: Anne Bohnenkamp, Elke Richter (Hg.): Brief-Edition im digitalen Zeitalter (Beihefte zu editio, Bd. 34), Berlin, Boston 2013, S. 75–86.
[4] Vgl. Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Verfügbarer Zeitraum 1764–1822, hg. von der Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv in Kooperation mit dem Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, https://ores.klassik-stiftung.de/ords/f?p=403:1.
[5] Erste Überlegungen siehe Jenny Bryś, Claudia Häfner: „Dennoch können Regesten den Abdruck eines Volltextes nicht ersetzen.“ Die digitale Veröffentlichung der Briefe an Johann Wolfgang von Goethe in den Propyläen, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Heft 22 (2020), S. 59–72, http://www.denkstroeme.de/heft-22/s_59-72_brys-haefner.
[6] https://tei-c.org; aktuelle Richtlinien TEI P5, Version 4.4.0, 2022-04-19 unter https://tei-c.org/release/doc/tei-p5-doc/en/html/index.html.
[7] https://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat; vgl. dazu Susanne Haaf, Christian Thomas: „Enabling the Encoding of Manuscripts within the DTABf: Extension and Modularization of the Format“, in: Journal of the Text Encoding Initiative [Online], 10 (2017). DOI: https://doi.org/10.4000/jtei.1650.
[8] https://weber-gesamtausgabe.de; https://edition-humboldt.de; weitere Orientierung zur Annotation von Briefen bietet das Handbuch Encoding Correspondence: A Manual for Encoding Letters and Postcards in TEI-XML and DTABf. Edited by Stefan Dumont, Susanne Haaf, and Sabine Seifert, https://encoding-correspondence.bbaw.de/v1.
[9] https://github.com/TEI-Correspondence-SIG/CMIF.
[10] Vgl. Arbeitsgrundsätze für die Gesamtausgabe der Briefe an Goethe in Regestform, in: Gerhard Schmid (Hg.): Bestandserschließung im Literaturarchiv, München u. a. 1996, S. 185–255, abrufbar unter https://www.klassik-stiftung.de/assets/Dokumente/GSA/Benutzung/Weimar_Goethe_Schiller-Archiv_Bestandserschliessung_03.pdf.