Beyond Words-Projekt beim Workshop zur Digitalen Gattungshermeneutik
an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Datum:
12.09.2024 bis 13.09.2024Ort:
Universität München (LMU)
Schellingstr. 3 Rückgebäude
Raum R153
Kontakt und Anmeldung: J.Schroeter [at] lmu.de (J[dot]Schroeter[at]lmu[dot]de)
Die Teilnahme ist kostenlos
Kategorie(n):
WorkshopKontakt:
Julia RöttgermannBeschreibung des Workshops „Digitale Gattungshermeneutik”
Textsorten und literarische Genres stehen seit mehr als einem Jahrzehnt verstärkt im Fokus des Distant Reading. Während zunächst die Erkenn- und Reproduzierbarkeit von Textgruppen über stilometrische Nähe und distanzbasiertes Clustering sowie die Replikation von Gattungsordnungen über Klassifikationsaufgaben mit maschinellem Lernen im Vordergrund standen (so etwa noch Jockers 2013), sind seit einigen Jahren (insb. Underwood 2019) Fragen der Erfassung historischer Gattungssemantiken stärker in den Fokus gerückt. Man kann dies als einen Wandel von einem klassifikatorischen Interesse an Gattungen als Kategoriensystemen hin zu historischen und hermeneutischen Interessen an Gattungen als kommunikativen Einheiten in Kontexten ästhetischer Erfahrung beschreiben. Der Workshop will den Weg zu einem historisierenden und im weitesten Sinn hermeneutischen Interesse weiterverfolgen, indem er das Fragespektrum ausweitet: Verfahren aus dem Bereich der computergestützten Analyse und insbesondere des maschinellen Lernens erscheinen nicht nur geeignet, klassifikatorische Ansätze der Gattungsforschung zu unterstützen, sondern lassen sich auch einsetzen, um die Praktiken literarischer Kulturen im Verhältnis zwischen Texten und Gattungen zu untersuchen.
Im Workshop sollen Grundfragen der Modellierung von Literaturgeschichte und des Verhältnisses zwischen digitaler Gattungsstilistik und (historischen sowie heutigen) literarischen Praktiken des Umgangs mit Gattungen aufgeworfen und adressiert werden. Zu den möglichen Themen gehören:
- Gattungen als gepflegte Semantik, die dank normativer Kraft von Poetiken zu Faktoren für die Gestaltung von Texten werden und auf diese Weise Textsorten prägen.
- Das Verhältnis zwischen Praktiken der Gattungszuordnung und ästhetischen Erwartungen.
- Gattungspolitik: Die historischen Praktiken der Zuordnung von Texten zu Gattungen kann literatur- und kulturpolitische Gründe haben, die es zu verstehen gilt, wenn man richtig beschreiben möchte, welche Funktion Gattungsbegriffe in literarischen Kulturen eingenommen haben,
- Multiple Perspektivierungen: Gattungszugehörigkeit wird mittlerweile meist als kommunikative Zuschreibung begriffen, und nicht mehr als eine ontische Zugehörigkeit einer Entität zu einer festen Klasse von Objekten. Ein Text kann daher in unterschiedlichen kulturellen Situationen unterschiedlichen Gattungen zugeschrieben werden. Indem man untersucht, wie sich die Gattungszuordnungen für einzelne betroffene Texte wandeln, kann man Aufschluss darüber gewinnen, wie sich die Wertvorstellungen und die Aufmerksamkeiten literarischer Kulturen verschieben; gegebenenfalls kann man auch in den Blick bekommen, wie über Gattungspolitik Werke kanonisiert oder aus dem Kanon verdrängt werden sollten.
- Das Verhältnis zwischen Gattungstheorie und empirischer Analyse: Möglichkeiten prinzipiengleiteter Theorie-Updates
Bei der Bearbeitung der genannten Themen im Rahmen des Workshops soll es insbesondere um das Ausloten, die Diskussion und das Anwenden der Möglichkeiten der Datenmodellierung und computergestützter Textanalyse im Sinne einer digitalen Gattungshermeneutik gehen.