„Geteilte Macht? Traditionelle Hermeneutik und Digitale Methoden im Dialog”

Sektion, geleitet von Joëlle Weis, Marina Lemaire, Jörg Wettlaufer, im Rahmen des 55. Deutschen Historikertags

55. Deutscher Historikertag

Datum:

16.09.2025

Ort:

Universität Bonn
Festsaal

16:00 – 17:40

Kategorie(n):

Veranstaltung

Kontakt:

Dr. Joëlle Weis
Vom 16. bis 19. September 2025 findet der 55. Deutsche Historikertag an der Universität Bonn statt.

Geteilte Macht? Traditionelle Hermeneutik und Digitale Methoden im Dialog

Joëlle Weis, Marina Lemaire, Jörg Wettlaufer (Sektionsleitung)

Digitalität bestimmt große Teile unseres Alltags, aber die Anwendung von digitalen Methoden für die Produktion neuer historischer Erkenntnisse bleibt für viele Historiker:innen ein fernes Ziel, wenn nicht gar Terra Incognita. Manche fragen sich zurecht, welche digitalen Methoden sie anwenden könnten und sollten, mit welcher Art neuer Erkenntnisse sie rechnen könnten, und wie sich digitale Methoden überhaupt in die Forschungspraxis einordnen ließen. Andere stellen das Potenzial digitaler Methoden in Frage, vielleicht aus Abneigung, vielleicht um sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen zu müssen.

Die Sektion setzt die traditionellen hermeneutischen Verfahren in ein dialogisches Verhältnis zu digitalen Methoden mit dem Ziel, die Chancen und Herausforderungen klar zu benennen und Forschende zu einer Auseinandersetzung mit digitalen Technologien zu befähigen. Die Sektion betont die „geteilte Macht“ traditioneller Hermeneutik und digitaler Methoden und geht den Fragen nach: „Wie gelange ich zu neuen historischen Erkenntnissen? Welche Rolle können digitale Werkzeuge und Methoden dabei spielen?”

Um die Perspektivenvielfalt abzubilden sollen, anders als beim klassischen Format mit drei Redner:innen, fünf kurze Impulsvorträge Orientierung bieten und digitale Methoden explizit in erkenntnisgetriebenen Forschungsprozessen darstellen, um den Mehrwert, aber vielleicht auch die Herausforderungen aufzuzeigen (50 Minuten). Die Beiträge liefern Reflexionen dazu, wie Geschichte durch digitale Methoden bereichert werden kann, während sie eng mit empirischen Fragestellungen verknüpft bleiben. Auf diese Weise soll die Methodendiskussion nicht losgelöst, sondern eng orientiert an der empirischen Erkenntnisarbeit vollzogen werden.

Nach den Impulsen findet eine 40-minütige Diskussion im Plenum statt, in der der Mehrwert für den Erkenntnisgewinn thematisiert sowie der Frage nachgegangen wird, wie man den Einsatz neuer Werkzeuge in die Validierung und Interpretation historischen Wissens einbettet.

Digitale Methoden in der historischen Forschung einsetzen: Was, wie und an welcher Stelle?

Werner Scheltjens (Bamberg)

Der Vortrag präsentiert ein fähigkeitsorientiertes Rahmenwerk zur Analyse digitaler Werkzeuge in der Geschichtswissenschaft. Es strukturiert Softwareanwendungen, vergleicht sie mit traditionellen Methoden und analysiert ihre Auswirkungen auf den Forschungsprozess. Das Modell umfasst die Phasen Input, Transformation und Output und betont die Bedeutung von Digital Literacy, Datenlogistik und -resilienz.

Diskursanalysen im digitalen Wandel. Scalable reading zur Erschließung politischer Kultur der Weimarer Republik

Christian Wachter (Bielefeld)

Der Beitrag legt dar, wie Wortfrequenzanalyse und Topic Modeling neue Wege zur Analyse großer Zeitungsbestände eröffnen und dadurch tiefere Einblicke in die Diskurse zum Demokratieverständnis unterschiedlicher Akteure in der Weimarer Republik gewähren. Dabei werden die Potenziale und Herausforderungen des Forschungsprojektes aufgezeigt.

Historische Daten im digitalen Raum. Datenbanken als heuristisches Werkzeug nutzen

Laura Maria Niewöhner (Bielefeld)

Datenbanken lassen sich als digitale Aktenschränke verstehen. In ihnen werden Informationen abgelegt, miteinander verknüpft und stehen je nach Datenmodellierung zu mannigfaltiger Auswertung bereit. Am Beispiel der Entnazifizierung wird aufgezeigt, wie historische Daten erfasst und ins Digitale übersetzt werden können, um sie fachwissenschaftlichen Fragestellungen zu unterziehen.

Zwischen Innovation und Interpretation. Digitale Sentimentanalyse

Anselm Küsters (Berlin)

Der Vortrag untersucht die digitale Sentimentanalyse in der historischen Forschung. Anhand von Fallstudien zu Reichstagsreden und den Ludditen wird ihr Einsatz kritisch reflektiert. Lassen sich vergangene Emotionen digital quantifizieren oder gar rekonstruieren? Während lexikalische Ansätze fehleranfällig sind, bieten „Large Language Models“ neue Perspektiven, aber auch methodische Probleme wie Überinterpretation und Bias.

Modeling Historiography. Digitale Methoden zur Analyse der historischen Fachkommunikation im Web

Melanie Althage (Berlin)

Der Beitrag zeigt unter methodenkritischer Perspektive am Beispiel des Fachkommunikationsportals H-Soz-Kult und damit anhand genuin digitaler Quellen, wie verschiedene Implementierungen von Topic Modeling aber auch Technologien wie „Large Language Models“ eingesetzt werden können, um Einblicke in die Themen, Trends und Debatten der jüngsten Fachgeschichte zu gewinnen.

55. Deutscher Historikertag

Mit Vorfreude sehen der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) und das Ortskomitee dem nächsten Historikertag entgegen, der vom 16. bis 19. September 2025 in Bonn stattfinden wird. Der Historikertag ist das größte Podium der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft. In ihm spiegelt sich die aktuelle historische Forschung in ihrer ganzen Vielfalt und internationalen Vernetzung wider. Themenschwerpunkt sind Dynamiken der Macht.

Der Historikertag ist seit über 130 Jahren das Forum der Geschichtswissenschaften in Deutschland. Heute gilt der Kongress mit rund 2.500 Teilnehmer:innen aus dem In- und Ausland als einer der größten im geisteswissenschaftlichen Bereich in Europa. Ziel der Treffen ist es, der Öffentlichkeit Ergebnisse der historischen Forschung vorzustellen, aktuelle Anliegen der Historikerinnen und Historiker zu besprechen sowie sich fachlich und sozial auszutauschen. In über 70 Fachsektionen und einer Vielzahl weiterer Veranstaltungen stehen aktuelle Themen aus allen Teilgebieten der historischen Arbeit im Zentrum der Diskussion.

Ausgerichtet wird der 55. Deutsche Historikertag vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) und dem Ortskomitee der Universität Bonn in Kooperation mit dem Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands (VGD).